Lassen Sie uns heute eine Blase anstechen...

nämlich eine Methan-Blase

Methan – ein an und für sich geruchsloses Gas – begegnet uns im Alltag oft zusammen mit diversen Schwefelwasserstoffen, weshalb es gern mit teuflischem Gestank assoziiert wird. 

Solch eine Teufelsblase wird von den üblichen Verdächtigen auch gern rhetorisch gegen die Wasserkraft eingesetzt: Methan sei ein von den Wasserkraftanlagen befördertes Klimagas. In dem Anti-Wasserkraft-„Memorandum“ aus der Feder von Martin Pusch et al., das 2021 durch die Presse irrlichterte, las sich das z.B. so: „Außerdem emittieren aufgestaute Gewässer infolge der Verschlammung erhebliche Mengen des besonders klimaschädlichen Gases Methan“. Daher gehöre die Wasserkraft am besten abgeschafft.

Oft hört man auch: Wasserkraft spart vielleicht CO2 ein. Ja – aber andererseits wird durch sie doch das viel, viel schädlichere Methan freigesetzt! Denn auch Methan ist ein „Klima-Gas“. Es ist sogar um ein Vielfaches schädlicher als CO2 (um wieviel – da gehen die Quellen weit auseinander. Ca. 20-25fach ist am Glaubwürdigsten). Da kommt unterm Strich doch eine negative Klimabilanz zusammen?

In solchen Gedankenblasen bewegen sich umweltbewusst getarnte Wasserkraftgegner und Klimaschutzbremser gern und bestätigen sich dann gegenseitig ihre Meinung.

Doch genau andersrum ist es richtig:

Wenn organische Substanzen absinken und verwesen, wird Methan gebildet. Seit Jahrmillionen ist das so. Das ist kein generisches Problem der Wasserkraft. Im Gegenteil, die Rechenanlagen von Wasserkraftanlagen können dazu beitragen nicht nur Müll aus den Gewässern zu holen, sondern auch organische Materialien wie Laub und Äste und so einer Verringerung der Methanbildung beitragen!

Zu den Einzelheiten:

Ähnlich wie Kohlenstoffdioxid ist Methan ein Gas, das im Klima eine Kreislauffunktion hat. Es wird emittiert und absorbiert. Eigentlich überhaupt kein Problem, solange da das Gleichgewicht erhalten bleibt. Doch den 558 Mio. Tonnen Emissionen pro Jahr stehen nur 548 Mio. Tonnen gegenüber, die in so genannten Senken gebunden werden. So entsteht eine Lücke (Fachausdruck: „Methan-Gap“) von ca. 10 Mio. Tonnen pro Jahr, die problematisch sind und den Treibhauseffekt anheizen. Soweit die allseits bekannten Fakten (Saunois 2016 (1)). Diese 10 Mio. t/a könnten schon vermieden werden, wenn die zahlreichen Lecks in den Gasnetzen etc. abgedichtet werden würden. Aber das ist wohl illusorisch. Im Gegenteil: Der eine oder andere bombt ja inzwischen auch gern mal ein Loch in eine gefüllte Pipeline. Oder zerstört Kraftwerke. Kriege sind viel umweltschädlicher als Industrien. Aber nicht nur aus Umweltschutzgründen sollte man also eigentlich sofort aufhören, Kriege zu führen.

Neben den über 290 Mio. t/a, die durch Landwirtschaft, Abfall und der Verbrennung von fossilen Brennstoffen entstehen, gibt es auch eine natürliche Ausgasung von ca. 230 Mio. t/a. Bei dem Rest, der auf das Konto von verbrannter Biomasse geht, kann man sich streiten, ob das nun anthropogen verursacht ist oder auch natürlich stattfinden würde.

Knapp 65 Mio. t/a gehen bei den natürlichen Emissionen auf das Konto von auftauendem Permafrost, Ozeanen, geologischen Quellen (z.B. Vulkanausbrüchen) und Seen. In etwa dieser Reihenfolge staffeln sich auch die Größenordnungen ihrer Bedeutung. Weit mehr, nämlich über 165 Mio. t/a, werden von Feuchtgebieten emittiert, also von Sümpfen und Mooren: Habitaten, die wir mit relativ großem Konsens als ökologisch wertvoll ansehen. Auch viele Klimaaktivisten setzen sich mit Recht für Vernässung und Wiederbelebung von Mooren ein.

Doch im Einzelnen zur Wasserkraft:

Es gibt eine Studie über den Schweizerischen Wohlensee, die die dortigen Methan-Emissionen gemessen hat (3) . Dieser Artikel wird oft zitiert und dramatisiert. Rechnet man das aber mal in Verhältnis zur Landwirtschaft, dann kommt auf 1ha Wasserfläche Wohlensee die Gesamtemission von 4 (in Worten: vier) Kühen.

Wasserflächen sind hingegen für das weltweite Methan-Problem - anders als Sümpfe und Moore - kaum relevant. Und wenn man schon diese in den Fokus rückt: Warum sprechen Klimaschutzbremser nur über die Wasserflächen von Stauseen? Und überhaupt nicht von den (wegen der oft geringeren Durchströmung) größeren Emissionen natürlicher Seen? Und schon gar nicht von denen aus Fischweihern, die wegen der dort notwendigen Überfütterung und dem zahlreichen Fischkot wesentlich problematischer wären? Um das klar zu sagen: Aus unserer Sicht sind die
Fischweiher bis auf wenige Ausnahmen auch kein wirkliches Problem. Sie würden sich aber als Feindbild viel eher eignen als Wasserkraftanlagen.

Zur Orientierung an der Verhältnismäßigkeit: Der größte Stausee in der EU hat maximal 418 km², durchschnittlich sogar nur 315 km² (Lokka-Stausee in Finnland(6)). Insgesamt erreichen nur 6 Stauseen in der EU über 100 km². Allein Finnland hat dagegen 45 natürliche Seen, die größer als 100 km² sind. Der größte natürliche See der EU hat 5.450 km² (Vänern in Schweden(7)).

Wenn man den CO2-Vermeidungswert einer Wasserkraftanlage zudem mit dem – wie auch immer konstruierten – Methanausstoß verrechnen möchte, muss man zudem nicht nur die Eignung zum Treibhausgas benennen. Man muss ebenso berücksichtigen, dass die Verweildauer von Methan in der Erdatmosphäre durchschnittlich nur 12 Jahre beträgt. Die von CO2 dagegen 230 Jahre (8).

Erwähnt werden muss im Übrigen, dass gerade bei der Kleinen Wasserkraft die regelmäßigen Hochwasserereignisse die Staubereiche durchspülen und die Methanbildung dadurch eine Zeitlang völlig zum Erliegen kommt.

Mit einer Energiewende, die die Wasserkraft fördert, statt sie zu bremsen, würden hingegen auch beim Methanproblem gleich drei wichtigere Baustellen angegangen:

  • Die Verbrennung von fossilen Brennstoffen würde gemindert und damit eine der anthropogen verantworteten
    Hauptursachen angegriffen.
  • Die Notwendigkeit von Pipelines würde gemindert und damit auch das Leckagen-Problem.
  • Die Erderwärmung würde gebremst und damit eines der derzeit größten vermeidbaren „natürlichen“ Methan-Probleme angegangen: Durch die Klimaerwärmung tauen die Dauerfrostböden in Sibirien auf. Deren Anteil an der Methan-Emission wird derzeit relevant größer. Ein Umstand, der geeignet ist, einen Kippeffekt bei der Klimaerwärmung zu bewirken.

Fasst man diesen Fakten-Check zusammen, bleibt von dem Vorwurf, Wasserkraft würde über den Methanausstoß das Klima sogar schädigen, nur eines übrig: Viel heiße Luft.

Ein Beitrag von unserem MItglied Reinhard W. Moosdorf, März 2023

Quellen:

  • (1) Saunois, Marielle et al.: The global methane budget 2000-2012, in: Earth Syst. Sci. Data, 8, 697– 751. 2016
  • (2) http://https://www.globalcarbonproject.org/methanebudget/20/files/MethaneInfographic2020.png
  • (3) https://pubs.acs.org/doi/full/10.1021/es9031369, abgerufen am 21.01.2022
  • (6) https://fi.wikipedia.org/wiki/Lokan_tekoj%C3%A4rvi //
    Die Flächenangaben der Gewässer schwanken erheblich. Das liegt an der Natur solcher Gewässer aber auch an verschiedenen Erhebungs-Kriterien. Ich orientiere mich daher an den jeweiligen nationalen lexikalischen Angaben, die wiederum auf den jeweiligen nationalen Statistiken beruhen, jedoch ggf. auch andere Quellen einbeziehen.
  • (7) https://sv.wikipedia.org/wiki/V%C3%A4nern