Wasserkraft strategisch entwickeln und für das Gelingen der Energiewende nutzen

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Rolle der Wasserkraft für die Energiewende

Die Wasserkraft ist eine der ältesten und etabliertesten Formen erneuerbarer Energieerzeugung und spielt eine wichtige Rolle für die Erreichung der klimaschutz- und energiepolitischen Ziele Deutschlands. Mit dem höchsten spezifischen CO2-Vermeidungsvermögen aller Energieerzeugungsmethoden erzeugt die Wasserkraft über 20 TWh klimafreundlichen Strom im Jahr und vermeidet damit mehr als 14 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Vor allem zeichnet sich der Strom aus Wasserkraft aber durch seine stetige und verlässliche Verfügbarkeit aus, die es erlaubt, die schwankende Einspeisung von Wind- und Solarenergie auszugleichen. Sie kann vielfältige Netzdienstleistungen wie die Bereitstellung von schneller und flexibler Regelenergie, Momentanreserve, Notstromreserve, Blindleistung etc. anbieten und damit zur Sicherung eines stabilen, sicheren und kostengünstigen Versorgungssystems beitragen. Speziell die Kleinwasserkraft stellt diese wertvollen Systemdienstleistungen in den Nieder- und Mittelspannungsnetzen zur Verfügung, die die höchsten spezifischen Netzkosten aufweisen.

Potenziale der Wasserkraft nutzen

Im ersten Halbjahr 2024 trug die Wasserkraft über 5% zur deutschen Stromerzeugung bei. Auch im langjährigen Schnitt liegt der Anteil der Wasserkraft bei rd. 3-4% der Erzeugung. Über diese Erzeugung der rd. 7.500 Wasserkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von rd. 5,6 GW installierter Leistung hinaus bestehen aber noch große ungenutzte Potenziale, die vor allem in der Modernisierung des Bestands und der Nutzung vorhandener Altstandorte schlummern, aber auch im gewässerökologisch verträgli-chen Ausbau der Wasserkraft, die sich auf nutzbare Potenziale von 6-7 GW summieren. Chancen bieten sich zudem durch die Möglichkeit zur Bereitstellung von Flexibilität für das künftige Strommarksys-tem. Allein die dynamische Stauraumbewirtschaftung im Bestand könnte 1-2 GW installierter Leistung flexibilisieren, die Nutzung der langfristigen Ausbaupotenziale weitere 3-3,5 GW Flexibilität erschlie-ßen. Darüber hinaus kann Wasserkraft auch zur Wärmewende beitragen, indem sie durch ihren Stand-ortvorteil an Fließgewässern zum einen Fließgewässerwärme aus ihrem Ausbaudurchfluss gewinnt und zum anderen Strom für Wärmepumpen bereitstellt, die die Flusswärme für Quartierslösungen oder die kommunale Nahwärmeversorgung nutzen.

Entwicklung einer übergreifenden Wasserkraftstrategie

Um die Potenziale der Wasserkraft zur Erneuerbaren Strom- und Wärmeerzeugung zu nutzen, ist eine umfassende Betrachtung und Entwicklung einer übergreifenden, in sich konsistenten Wasserkraftstrategie erforderlich. Strategisches Ziel muss es sein, die Potenziale der Wasserkraft zum Gelingen der Energiewende zu heben. Hierzu sind als wichtige Maßnahmen insbesondere eine Verbesserung der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, eine Vereinfachung und Beschleunigung was-serrechtlicher Genehmigungs- und Verwaltungsverfahren sowie die Ankerkennung der gewässerökologischen Verträglichkeit der Wasserkraftnutzung zu berücksichtigen. Bei Schutzgüterabwägungen in Genehmigungsverfahren ist dem überragenden öffentlichen Interesse an der Wasserkraft Geltung zu verschaffen. Diese wesentlichen Handlungsfelder sind mit konkreten Maßnahmen zu unterlegen, um die Rolle der Wasserkraft im künftigen Energiesystem zu stärken.

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen verbessern

Wirtschaftliche Planbarkeit und Sicherheit sind die Grundvoraussetzungen für Investitionen in den Er-neuerbare-Energien-Sektor. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden maßgeblich durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bestimmt. Die seit dem Jahr 2000 geltenden Vergütungen für Strom aus Wasserkraft sind nie angepasst worden, während die Kosten für Investitionen und Betrieb der Anlagen erheblich gestiegen sind. Dies führt zu einer immer größeren Preis-Kosten-Schere, die die Wirtschaftlichkeit gefährdet, insbesondere bei kleineren Anlagen, die häufig eine zuverlässige Eigenversorgung von Mühlen-, Landwirtschafts- oder Sägewerksbetrieben sicherstellen, die i.d.R. einem harten Wettbewerb ausgesetzt sind. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sollten eine neue Vergütungsklasse für Anlagen unter 100 kW eingeführt, die Vergütungen für alle Anlagenklassen an die aktuelle Kostenentwicklung angepasst und deren Degression im EEG gestrichen werden. Zudem sollte eine angemessene Vergütung der Netz- und Systemdienstleistungen erfolgen. Dies ist im EEG-Förderrahmen und dem künftigen Erneuerbaren Strommarktdesign zu berücksichtigten.

Eine wirtschaftlich gesunde Wasserkraft sorgt nicht nur für eine sichere Versorgung der ländlichen Wirtschaft mit günstiger, heimischer Energie, sondern steht darüber hinaus als mittelständische deut-sche Branche für Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Davon profitieren die mittelständischen Turbinen- und Anlagenhersteller, die technologisch führend ihre Produkte in die ganze Welt exportieren, wie auch die vielen Handwerksbetriebe im vor- und nachgelagerten Bereich der Wasserkraft vor Ort. Somit hängt diese traditionell deutsche Branche eng am wirtschaftlichen Wohlergehen der Wasserkraft insgesamt. Eine Abwanderung ins Ausland muss dringend vermieden werden.

Genehmigungsverfahren erleichtern

Ein weiteres zentrales Handlungsfeld ist die dringend erforderliche Vereinfachung und Beschleunigung wasserrechtlicher Genehmigungsverfahren. Die aktuelle Verwaltungspraxis erfordert umfangreiche Unterlagen, die hohe Kosten und lange Verfahrensdauern von teils bis zu 10 Jahren verursachen. Dies bremst insbesondere das Repowering kleiner Anlagen. Eine Reform des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) sollte die Wasserkraft als überragendes öffentliches Interesse anerkennen, Antragsprüfungs-fristen auf 3-6 Monate verkürzen und die Anforderungen an ökologische Maßnahmen auf den Stand der Technik beschränken. Dabei ist anzuerkennen, dass die Wasserkraft nicht nur klimafreundlich, son-dern auch gewässerökologisch verträglich ist. So sichern bewährte technische Vermeidungsmaßnah-men den Fischschutz und die Durchgängigkeit. Die Stauhaltungen tragen zudem zur Klimaanpassung und zum Hochwasserschutz bei und fördern die Biodiversität. Die positiven ökologischen Effekte der Wasserkraft sollten in Genehmigungsverfahren stärker gewichtet werden, um eine Win-win-Situation für den Gewässerschutz und die Erzeugung erneuerbarer Energie zu schaffen.

Eine starke Wasserkraft für das Gelingen der Energiewende

Die Wasserkraft kann entscheidend zur Dekarbonisierung und Flexibilisierung des deutschen Energie-systems beitragen. Eine Wasserkraftstrategie, die gezielt auf die Potenziale zur nachhaltigen Strom- und Wärmeerzeugung setzt, wird die wichtige Rolle der Wasserkraft für die Energiewende weiter festigen. Mit einer klaren politischen Zielsetzung, wirtschaftlich tragfähigen Rahmenbedingungen und effizienten Genehmigungsverfahren kann Deutschland die Chancen der Wasserkraft voll ausschöpfen. Es ist an der Zeit, diese Potenziale entschlossen zu nutzen und die Wasserkraft als unverzichtbaren Bestandteil einer nachhaltigen und stabilen Energiezukunft zu verankern. Mit dem nötigen politischen Willen und gemeinsamer Kraftanstrengung wird dies möglich – die Wasserkraft steht dazu bereit.

Ansprechpartner:
Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V.
Dr. Helge Beyer (Geschäftsführer)
helge.beyer@wasserkraft-deutschland.de

12.11.2024