VWB und LVBW fordern: Überragendes öffentliches Interesse für Erneuerbare endlich in die Praxis umsetzen

Der am 19. April 2023 veröffentlichte „Bayernplan Energie 2040“ hat einmal mehr die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen deutlich gemacht. „In Anbetracht des rasant fortschreitenden Klimawandels ist das Projekt Klimaneutralität Bayern bis 2040 alternativlos“, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW) und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (vbw). Die Studie wurde von der VBEW Dienstleistungsgesellschaft in Kooperation mit der vbw in Auftrag gegeben. Und auch das Abschalten der letzten Kernkraftwerke in Deutschland macht jede Kilowattstunde Strom, die aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, umso bedeutsamer. Die Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern e.V. (VWB) und der Landesverband Bayerischer Wasserkraftwerke eG (LVBW) fordern daher, dem in Gesetzen auf EU-, Bundes- und Landesebene verankerten überragenden öffentlichen Interesse von Erneuerbaren-Energien-Anlagen endlich das notwendige Gewicht in Genehmigungsverfahren und anderen Verwaltungsentscheidungen einzuräumen. „Dafür ist es dringend nötig, dass die zuständigen bayerischen Staatsministerien Vollzugshinweise, die bei jedem Verwaltungshandeln mit Bedeutung für die Energiewende zu beachten sind, an die ihnen unterstellten Behörden richten,“ sagt Dr. Martin Schröder, Vorstand der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern. Denn an ihre Weisungen sind die Beamten gebunden. 

Erhebliche Defizite in der Verwaltungspraxis

Die bayerischen Wasserkraftverbände VWB und LVBW sehen in der Verwaltungspraxis erhebliche Defizite bei der Berücksichtigung des gesetzlich angeordneten überragenden öffentlichen Interesses der Erneuerbaren. Am Beispiel der Wasserkraftbranche: In Bayern dauert es derzeit durchschnittlich sieben Jahre, bis die Zulassung einer Wasserkraftanlage erteilt ist. Wenn es schnell geht, liegt die Zulassung nach drei Jahren vor. „Bei solchen Zeiträumen kann die Energiewende nicht schnell genug umgesetzt werden“, mahnt Schröder. „So kann auch das Potenzial der grundlastfähigen kleinen Wasserkraft zur Dekarbonisierung und Sicherung der Energieversorgung nicht gehoben werden.“ 

Erste Dienstanweisung vom Umweltministerium

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) hat deshalb im Februar 2023 eine schriftliche Dienstanweisung zur „Berücksichtigung der erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes bei Verwaltungsentscheidungen“ an die Landratsämter und Regierungen, an die Wasserwirtschaftsämter und das Bayerische Landesamt für Umwelt herausgegeben. „Die Vollzugshinweise des StMUV sind ein Schritt in die richtige Richtung. Sie müssen aber jetzt von den unteren Behörden, von den Landratsämtern und den Wasserwirtschaftsämtern, beachtet werden. Dafür muss das Ministerium sorgen. Das StMUV steht weiter in der Pflicht“, betont Schröder. Für die Wasserkraft sei zudem eine Dienstanweisung des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) nötig, da dieses für die Fischerei und Fischereifachberater der Bezirke zuständig ist. „Außerdem sollte sich auch das Bayerische Innenministerium um eine gesetzeskonforme Umsetzung des Vorrangs kümmern, da erneuerbare Energien kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung der öffentlichen Sicherheit dienen.“ Ohne eine ausreichende Energieversorgung sind die Existenz des Staates, die öffentliche Ordnung und jeder Einzelne gefährdet.

Landwirtschafts- und Innenministerium sollten sich an dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz orientieren, appelliert Martin Schröder im Namen der Wasserkraftverbände. Das Umweltministerium verlangt in seiner Dienstanweisung vom Februar 2023, dass die besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes in allem staatlichen Handeln berücksichtigt wird, sofern im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Entscheidungsspielräume bestehen. „Der durch geltende Gesetze begründete, regelhafte Vorrang der erneuerbaren Energien vor anderen Schutzgütern muss in unserem Rechtsstaat von den Behörden beachtet werden und es braucht deutlich mehr Tempo bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen“, bekräftigt Schröder. 

Laut einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2022 kann einer Maßnahme nicht entgegen gehalten werden, dass sie nur einen geringen Beitrag zum Klimaschutz leistet. „Das heißt, auch kleinere Mengen regenerativer Strom sind nach der gesetzlichen Gewichtung ein wertvoller Beitrag. Ohne Zweifel wird die kleine Wasserkraft dadurch gestärkt“, so der VWB-Vorstand. 

Überragendes öffentliches Interesse in Gesetzen auf EU-, Bundes- und Landesebene

Laut Osterpaket, das als Gesetzentwurf von der Bundesregierung am 6. April 2022 beschlossen wurde, sind die Dekarbonisierung beziehungsweise der Klimaschutz und - vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine - die Energiesicherheit die vorrangigen politischen Ziele. Folgende Gesetze untermauern den Vorrang der erneuerbaren Energien in Verwaltungsentscheidungen: 

  • Auf EU-Ebene schreibt die Dringlichkeitsverordnung zur schnelleren Genehmigung erneuerbarer Energien (Verordnung (EU) 2022/2577), die zum 30.12.22 in Kraft trat, in Artikel 3, Absatz 1 das überwiegende öffentliche Interesse fest. 
  • Im Bundesklimaschutzgesetz (KSG), § 13, Abs. 1 Satz 1, gibt es das sogenannte Berücksichtigungsgebot: „Die Träger öffentlicher Aufgaben haben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen.“
  • Im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) 2023, § 2, heißt es: „Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazu gehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit.“ 
    Im Bayerischen Klimaschutzgesetz, das am 1. Januar 2023 in Kraft trat, ist der gleiche Passus wie im EEG zu finden, wodurch die Bedeutung der Erneuerbaren Energien im Landesrecht gestärkt wird. 

Gemäß EEG 2023, § 2, gilt der Vorrang des Klimaschutzes so lange, bis die Stromerzeugung in Deutschland nahezu treibhausgasneutral ist.

20.04.2023

Gemeinsame Pressemitteilung  VBEW und vbw 
Bayernplan 2040
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